Der Erfolg hat zwei Namen: Altig und Endspurt

Willi Altig

„Der Erfolg hat einen Namen: Endspurt“. So lautet und lautete nicht nur die Bezeichnung des ältesten Mannheimer Radsportvereins, sondern auch die Devise der Brüder Altig. Rudi, der Jüngere, der im letzten Jahr verstarb, war bislang der einzige deutsche Weltmeister im Straßenradfahren, und Willi, der Ältere, ist heute noch Vereinsmitglied und zudem Inhaber eines Fahrradgeschäftes in der Quadratestadt.

Die traditionsreiche Radrennbahn im Herzogenried trägt seit fast fünf Jahren auch den Namen der Geschwister, die den Namen der Sportstadt Mannheim in den 1950er und 1960er Jahren in die ganze Welt trugen. 333 Meter misst das 1966 erbaute Oval mit bis zu fast schwindelerregenden 37 Grad Neigung. Das Treffen mit Willi Altig sowie Norbert Frey und Norbert Weiskopf vom Radrennclub gleicht einer Zeitreise. Und das nicht nur, weil die drei Herren ausgesprochen versiert sind in historischen Dingen, sondern auch weil „Endspurt“ sich lange rühmen durfte, einer der erfolgreichsten Radsportvereine der Welt zu sein.

Was bedeuten 200 Jahre Fahrrad für sie? „Ganz einfach“, lachen sie, „ohne das Fahrrad gäbe es uns nicht“. Wenn der Verein 2024 stolze 100 Jahre alt wird, dann trägt er tatsächlich in etwa die Hälfte der Zeit seit der Erfindung des Karl Drais im Jahre 1817 mit. Und auf ihre Art und Weise sind sie genauso Pioniere wie der Freiherr, der später seinen Adelstitel ablegte.

Als Willi Altig, 1935 geboren, ein paar Jahre nach dem Krieg sich aus der Nähe von Ingolstadt in zwei Tagen mit dem Drahtesel nach Mannheim durchschlug, um sich bei Benz für einen Ausbildungsplatz als Dreher vorzustellen, übernachtete er auf freien Feld und war froh, wenn sein Magen nicht allzu sehr knurrte. Das Fahrrad war für den Jungen alles, das einzige verfügbare Verkehrsmittel, bald auch die sportliche Freizeit und die persönliche Zukunft.

Die Einzelteile für das erste, natürlich selbstgebaute Rennrad verdiente er sich nebenbei mit der Auslieferung von Kohlen. Doch es dauerte nicht lange, da wurde sein Ehrgeiz geweckt. Ermöglichten die Wettbewerbe doch, in die Welt hinauszukommen. „Wir waren so arm, ärmer ging’s nicht“, erinnert er sich an die Zeit im Krieg. Nach den Bombennächten von Mannheim waren Mutter und Söhne zunächst ins Elsass evakuiert, dort in einem Zug angegriffen worden und dann nach Bayern geschickt worden.

Einige Zeit, nachdem Willi in Mannheim wieder Wurzeln geschlagen hatte, kamen auch die Mutter und der zwei Jahre, zwei Monate und ein Tag jüngere Bruder Rudi nach Nordbaden. Die Souterrainwohnung eines ruinierten Wohnhauses in der Kantstraße wurde erstes Zuhause. Wenn es regnete, half nur ein Schirm über dem Bett. Doch, wenn die Probleme zu sehr drängten, zog es Willi schon damals hinaus aufs Rad. „Das war Ausgleich, Therapie und ist bis heute so – es gibt nichts Besseres als Rad und Natur, um den Kopf frei zu bekommen“. Rudi, der Draufgänger lernte Elektriker und ging auf Montage. Doch sein Bruder holte ihn fest nach Mannheim zurück und begeisterte ihn für den Radrennsport. Zu Beginn teilten sie sich sogar brüderlich das Rad.

Doch dann kamen die ganz erfolgreichen Jahre, die es den beiden am Ende in den 1960er Jahren sogar ermöglichte, Profis zu werden und das Hobby zum Beruf zu machen. Als er dann 1970 von Karl Ziegler, der auf die Position des Bundestrainers wechselte, das Radgeschäft übernahm, war bei den Allermeisten das Zweirad aus dem Blick geraten, das Auto dominierte die Straßen und die Freizeit.  Erst mit der Gesundheitswelle ändert sich das Image wieder. Er selbst ist Anlaufpunkt für Fahrradfans geblieben, versorgt heute die Elite des Radrennsports genauso wie diejenigen, denen es einfach Spaß macht, auf zwei Rädern unterwegs zu sein. „Das Fahrrad zog sich wie ein roter Faden durch mein Leben“, erzählt er stolz. Dass sein RRC Endspurt mit einem Draisinenrennen am 11. Juni rund um den Wasserturm mit von der Partie ist, freut ihn natürlich besonders. Ein Traum wird allerdings für ihn wohl unerfüllt bleiben: Die Tour de France anlässlich 200 Jahren Erfindung des Fahrrads in Monnem.

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