ICC 2017

Das Umweltbundesamt machte Mannheim zum Abschluss der Geburtstagsfeierlichkeiten von „200 Jahren Fahrrad“ ein besonderes Geschenk: drei Tage lang tagte der hochkarätige Internationale Fahrradkongress (International Cycling Congress; ICC) mit mehr als 300 Frauen und Männern aus Forschung, Stadtplanung und Gesundheits- und Ingenieurwissenschaften sowie Politik und Gesellschaft im Rittersaal des Schlosses.

Brücken bauen zwischen Wissenschaft und Praxis des Radverkehrs wollten Fachleute aus Lateinamerika, Afrika, Australien, Indien, den USA, China und natürlich zahlreichen europäischen Ländern. Es gelte dringend Weichen zu stellen, betonte die Präsidentin des Umweltbundesamtes Maria Krautzberger anlässlich der Eröffnung am Dienstag, ohne mehr Rad- und Fußgängerverkehr drohe den Städten sonst weltweit die Puste auszugehen.

Gemeinsam dabei ist allen Städten, dass viel Überzeugungsarbeit, gute Planung und langer Atem notwendig ist, um nachhaltig umweltfreundliche Mobilität zu fördern. Schon deshalb, so Mannheims Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz, gelte es die Chance zu nutzen, weltweit voneinander zu lernen, wie man  aktive Mobilität der Menschen in ihren Alltag integrieren kann. Mannheim als Geburtsstadt des Fahrrads und des Autos und als traditionell offene Stadt, in der 170 Nationen zu Hause sind, sei gerade prädestiniert dazu, hierbei kraftvoll mitzuwirken. Eine Steigerung des Radverkehrsanteils auf 25 Prozent im Jahr 2020 ist sein erklärtes Ziel, 20 Prozent dürften derzeit schon erreicht sein.

Bürgermeister Lothar Quast übernahm am Donnerstag symbolisch den Staffelstab als Gastgeber des paneuropäischen Verkehrs-, Gesundheits- und Umwelt-Expertenkreises (PEP)  von seinem russischen Amtskollegen Konstantin Loboda aus Wladiwostok. Ins Leben gerufen wurde der von der europäischen Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen. Man werde, so Quast, das Staffelholz in Ehren halten und als Auftrag begreifen, eine Fahrradkultur zu entwickeln, die mehr und mehr Menschen den Anreiz gebe, eine gesunde und umweltfreundliche Fortbewegung zu wählen. „Wir brauchen auch Visionen für die menschliche Dimension der Verkehrspolitik“, betonte er.

Ein klares Bekenntnis zur aktiven Mobilität und deren Umsetzung in mehr Rad- und Fußgängerbewegungen tut allen gut, so der Konsens des Kongresses: es gibt weniger Lärm und Dreck, die Zahl der Unfälle wird reduziert und der motorisierte Verkehr steht weniger im Stau. Und die dabei vermehrt anfallende Bewegung aus eigener Körperkraft spart auch noch dem Gesundheitswesen Geld, denn schon heute bewegt sich nur eins von vier Kindern genug.

Professorin Lucia Reisch aus Kopenhagen zeigte am Beispiel Dänemarks auf, dass der Erfolg auch hier nicht vom Himmel fiel. Auch wenn sich der Radverkehrsanteil im Land stramm auf die 50 Prozent zubewegt, waren es in den 1960er Jahren auch mal nur zwei Prozent. Utopien, Krisen, Wissen und Technologie müssen neben viel Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern und einem gerüttelten Maß an Fähigkeit, dicke Bretter zu bohren, zusammenkommen, damit der Weg zu einem Gemeinwesen gelingt, in dem sich Acht- und Achtzigjährige sicher bewegen können. Grundsätzlich gilt, dass Städte, in denen viele Menschen mit dem Rad von A nach B bewegen, auch Städte sind, in denen die Lebensqualität als höher eingeschätzt wird.

In Asien, Südamerika und Afrika, wo Frederick K. Day den Schwerpunkt seiner Hilfsorganisation World Bicycle Relief, ist noch viel spürbarer, wie Fahrräder Leben verändern sowie Freiheit und Chancen schaffen können. Seit der Gründung im Jahr 2005 hat die Organisation mehr als 308.000 ihrer robusten Buffalo-Fahrräder zu Kosten in Höhe von 134 Euro pro Stück und Mädchen für den Weg zur Schule, medizinischem Personal für den Weg zu ihren Patienten oder Bauern für den Transport ihrer Güter zur Verfügung gestellt. Für dieses Engagement wurde Day am Mittwoch im Rittersaal unter Anwesenheit zahlreicher Konferenzteilnehmer mit dem mit 10.000 Euro dotierten Bertha-und-Carl-Benz-Preis ausgezeichnet.

ICC Konferenz Radtour Technoseum Foto Thomas Troester

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Fotos: Thomas Troester